20 Juni 25 Meetingpoint erhält die Europastadtmedaille
Am 10. Juni 2025 erhielten der Meetingpoint Memory Messiaen e. V. Görlitz und die Stiftung Erinnerung, Bildung, Kultur Zgorzelec den Ehrentitel für Verdienste um die Europastadt Görlitz/Zgorzelec. Der Titel wird jährlich gemeinsam mit der Medaille der Europastadt anlässlich der Europawoche verliehen. Der Preis wird bereits seit 2005 an Personen, Organisationen, Institutionen oder Vereine verliehen, die besondere Verdienste um die Europastadt geleistet haben. So erhielten die beiden Organisationen den Preis für ihr herausragendes Engagement im Bereich der grenzüberschreitenden Jugend-, Erinnerungs- und Bildungsarbeit.

Laudatio durch den Bürgermeister für Kultur, Jugend, Schule, Sport, Soziales, Bauen und Stadtentwicklung – Benedikt Hummel:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
es ist der Europastadt Görlitz/Zgorzelec eine große Ehre, heute den Verein Meetingpoint Memory Messiaen e. V. mit der Europastadtmedaille „Für die Verdienste der Europastadt Görlitz/Zgorzelec“ auszuzeichnen.
Dieser Verein hat sich durch seine herausragende Arbeit und sein unermüdliches Engagement für grenzüberschreitendes Gedenken und historisch-politische Bildung einen beispiellosen Platz in der europäischen Zusammenarbeit erarbeitet.
Mit einer tiefen Verankerung in der Geschichte des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Stalag VIII A und einem klaren Fokus auf Versöhnung und Verständigung trägt der Verein aktiv dazu bei, dass die Erinnerung an das vergangene Unrecht lebendig gehalten wird und die Brücke zwischen den Völkern nicht nur erhalten bleibt, sondern weiter gestärkt wird. Die Geschichte des Stalag VIII A, ein Ort, der von den Schrecken des Zweiten Weltkrieges erzählt, ist für den Verein nicht nur eine Erinnerung an die Vergangenheit, sondern auch ein Ort des Lernens und des Dialogs. Durch innovative und einzigartige Ansätze im Bereich der Erinnerungskultur und der Verbindung von Geschichte, Kunst und Musik schafft der Verein einen Raum, in dem Gedenken nicht nur als Rückblick auf das Unrecht, sondern auch als Antrieb für die Zukunft verstanden wird.
Besondere Erwähnung verdienen die bedeutendsten Initiativen des Vereins, die in einzigartiger Weise das deutsch-polnische Verhältnis fördern und gleichzeitig das europäische Verständnis stärken:

Die internationale Jugendbegegnung WORCATION/Younion ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie junge Menschen aus verschiedenen Ländern, in einem aktiven Dialog und Austausch, die Werte von Versöhnung und Zusammenarbeit leben können.
Aber auch die Internationalen Messiaen-Tage sind ein lebendiges Zeugnis dafür, wie Kultur, und insbesondere Musik, als Medium der Verständigung und der Versöhnung wirken können. In diesem Zusammenhang ist die Uraufführung von Olivier Messiaens „Quartett für das Ende der Zeit“ im Stalag VIII A ein Meilenstein. Dieses besondere Ereignis ist ein Symbol für die Kraft der Kunst, die Vergangenheit zu reflektieren und gleichzeitig den Weg für die Zukunft zu ebnen.
Ein weiterer bedeutsamer Schritt in der Arbeit des Vereins ist die bilaterale Umsetzung des Stalag VIII A als Mahnmal in Zgorzelec. Diese Gedenkstätte ist nicht nur ein Ort der Erinnerung, sondern auch ein kontinuierlicher Aufruf zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und zur Förderung eines respektvollen Dialogs zwischen den Völkern. Sie ist ein Ort, an dem wir uns mit den Gräueln des Krieges auseinandersetzen und gleichzeitig unsere Verantwortung für ein friedliches, tolerantes Miteinander in der Zukunft erkennen.
Die Arbeit des Vereins leistet einen unschätzbaren Beitrag zum Erhalt der Erinnerung an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie wichtig es ist, dass wir uns aktiv mit unserer Geschichte auseinandersetzen.
Es ist die Aufgabe der Gegenwart und der Zukunft, aus der Erinnerung Lehren zu ziehen und dafür zu sorgen, dass sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Der Verein fördert nicht nur den Austausch zwischen den Generationen, sondern auch den grenzüberschreitenden Austausch zwischen den Nationen.
Im Sinne des europäischen Gedankens, der Förderung von Toleranz, Völkerverständigung und Kultur erfüllt der Verein Meetingpoint Memory Messiaen e. V. in besonderem Maße die Werte und Ziele der Europastadt Görlitz/Zgorzelec. Durch seine unermüdliche Arbeit trägt er dazu bei, dass wir uns als europäische Gemeinschaft nicht nur erinnern, sondern auch verstehen und miteinander in Frieden leben.
Daher ist die Verleihung der Europastadtmedaille an den Verein Meetingpoint Memory Messiaen e. V. eine mehr als wohlverdiente Anerkennung für seine herausragenden Leistungen im Bereich der Erinnerungskultur und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Der Verein hat es in einer einzigartigen Weise verstanden, Kunst und Geschichte zu verbinden, um eine europäische Zukunft des Friedens und der Verständigung zu gestalten.
Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank für Ihre beeindruckende Arbeit.
Rede der Geschäftsführerin des Meetingpoint Memory Messiaen e.V. – Alexandra Grochowski:

Sehr geehrte Damen und Herren,
Gedenk- und Vermittlungsarbeit in Bezug auf die Aufarbeitung der Geschichte und Verbrechen des Zweiten Weltkrieges als Deutsche und Polen steckt voller Herausforderungen.
Unser Verein, hat sich vor vielen Jahren dieser Herausforderung gestellt und tut es jeden Tag. Von den ersten internationalen Jugendprojekten und dem Zeltkonzert auf dem Gelände des ehem. Stalag VIII A Görlitz, der Entstheung des Europäischen Zentrums bis hin zur Aufarbeitung der Geschichte des Lagers und den vielen Kontakten zu den Familien der Kriegsgefangenen über neue Projektformate konnte sich der Meetingpoint Memory Messiaen e.V. über die Jahre immer weiter professionalisieren. Diese Arbeit ging von Beginn an immer Hand in Hand mit unseren polnischen Partnern.
Ich möchte mich daher ganz herzlich stellvertretend für die gesamte Stiftung Fundacja Pamiec, Edukacja, Kultura bei ihrer Leiterin, Frau Hartmann-Woycicka für unsere langjährige Zusammenarbeit bedanken. Ich danke auch ganz herzlich unserem Vorstand, der den Meetingpoint unter der Leitung von Frank Seibel auch in unsicheren Zeiten verlässlich und verantwortungsvoll auf Kurs gehalten hat.
Ich danke allen Wegbeleiter:innen beiderseits der Neiße, die unsere Arbeit schon fast zwei Jahrzehnte lang unterstützen. Ich danke den wundervollen Mitarbeiter:innen des Meetingpoint, dass die deutsch-polnische und internationale Zusammenarbeit schon alleine in seiner Zusammensetzung widerspiegelt und seine vielfältigen Kompetenzen mit Elan und vor allem Leidenschaft in unsere Arbeit investiert.
Wir wollen uns auch zukünftig den Herausforderungen stellen, die die Arbeit in der Gedenkstätte mit sich bringt und die – wie ein Prisma – die großen Fragen und Spannungsfelder unserer Zeit hier vor Ort sichtbar machen. Das kann nur im ständigen und engen Dialog zwischen uns Polen und Deutschen geschehen.
Und so, meine Damen und Herren, freue ich mich schon jetzt auf viele weitere Jahre der Zusammenarbeit.
Rede des Vorstandsvorsitzenden des Meetingpoint Memory Messiaen e.V. – Frank Seibel:
Europa und Euphorie: Als unser Verein vor 18 Jahren gegründet wurde, waren dies zwei Worte, die miteinander verschmolzen waren. Polen und weitere Länder waren drei Jahre zuvor in die Europäische Union eingetreten. Frieden und Versöhnung in Europa schienen für immer gesichert. Heute wissen wir: Es ist alles erheblich komplizierter.
Der Gründer unseres Vereines war ein Visionär und ein großer Charismatiker. Albrecht Goetze hatte durch eine alte Musik-Kassette einen besonderen historischen Ort entdeckt. Zu hören war auf dem kleinen Tonband ein berühmtes Musikstück von Olivier Messiaen. Der französische Komponist war Kriegsgefangener im Görlitzer Lager Stalag VIII A. Diese Musik führte Albrecht Goetze von München nach Görlitz – und Zgorzelec.
Es entstand eine außerordentliche Idee: Wir gehen an einen historischen, aber lange Zeit fast vergessenen Ort in unserer Europastadt. Wir erinnern an 120.000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter – Die ersten waren Polen; wir erinnern daran, dass etwa 10.000 Kriegsgefangene im Görlitzer Stalag VIII A an Unterernährung, Misshandlung, Krankheit gestorben sind – Das tun wir als Nachfahren der Täter gemeinsam mit den Nachfahren der Opfer.
Und wir bauen Brücken, die viele Seiten miteinander verbinden: Zgorzelecer und Görlitzer, Polen und Deutsche, Europäerinnen und Europäer, Familien von Kriegsgefangenen aus aller Welt, Alte und Junge – Und vor allem: Wir bauen eine Brücke in die Zukunft.

Zwei tragende Pfeiler hat diese Brücke: Der ehrliche Blick auf das, was geschehen ist. Was waren die Ursachen von Feindschaft und Krieg? Und die Suche nach dem Verbindendem. Was verbindet Menschen über die Gräben der Vergangenheit hinweg? Am ersten Pfeiler arbeiten wir permanent und in ständiger Diskussion mit unseren polnischen Partnern. Der zweite Pfeiler ist einfach ein Geschenk: Die Kunst, vor allem die Musik.
Heute reimt sich Europa nicht mehr so sehr auf Euphorie. In vielen Ländern Europas macht sich Nationalismus breit. Europa bleibt eine Baustelle. Und dauerhafte Versöhnung zwischen Polen und Deutschen erfordert dauerhafte Arbeit: Respekt füreinander aufbauen und halten; voneinander lernen, einander vertrauen.
Erinnerungsarbeit ist hochpolitisch. Und die so genannte große Politik wirkt täglich in unsere Arbeit hier in unserer Europastadt hinein. Oft genug stehen wir als kleiner Verein mitten in der großen Politik. Darum sind wir ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder vor allem unserem professionellen Team dankbar – An der Spitze die Geschäftsführerin Alexandra Grochowski.
Besonders dankbar sind wir Frau Kinga Hartmann-Woycicka, die als Vorsitzende der Stiftung Erinnerung, Bildung, Kultur seit vielen Jahren für die Gedenkstätte zum Stalag VIII A kämpft. Dankbar sind wir auch Ihnen, den Politikerinnen und Politikern in unserer Europastadt. Ihre Unterstützung ist das Fundament unserer gemeinsamen Arbeit.
Darum freuen wir uns sehr über Ihren Beschluss von heute: In der Gründung einer neuen Europa-Struktur – EVTZ – sehen wir eine große Chance für jegliche Zusammenarbeit über die Neiße hinweg. Binden Sie uns dabei gerne mit ein.
Herzlichen Dank!