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Prędocice (Toporów), ehemals Tormersdorf

Prędocice (Toporów) auf Polnisch, Tormersdorf auf Deutsch ist heute eine auf polnischer Seite gelegene Wüstung an der Neiße. Als Folge der Zerstörungen am Ende des Zweiten Weltkriegs sind hier heute nur noch Grundmauern zu sehen. Die Ruinenhaftigkeit des Geländes ist nur das sichtbarste Zeichen für Gewalt und Zerstörung, die sich an diesem Ort historisch abgespielt haben. Es gibt derweil mannigfaltige unsichtbare Gewaltgeschichten, die mit diesem Ort verbunden sind.

Einige führen ins frühe 19. Jahrhundert: So sind im Wald um Tormersdorf Soldaten der russischen und französischen Armeen begraben, die hier im Zuge von Kampfhandlungen der antinapoleonischen Befreiungskriege den Tod fanden. Doch in Tormersorf haben besonders die Gewalthandlungen rund um den Zweiten Weltkrieg und die nationalsozialistische Vernichtungspolitik ihre Spuren hinterlassen.

Teil dessen ist die nationalsozialistische Vernichtungspoltikk gegenüber Jüdinnen und Juden, die auch in Tormersdorf stattfand. Im Jahre 1941 wurden hier, in den Gebäuden des Martinshofes, einer Einrichtung für psychisch kranke Menschen, ein Lager eingerichtet. Die bisherigen Bewohner:innen fielen dem nationalsozialistischen Euthanasie-Programm zum Opfer. An ihre Stelle wurden etwa 700 Jüdinnen und Juden aus der Region, darunter aus Görlitz, inhaftiert und für Zwangsarbeitseinsätze in örtlichen Unternehmen, u.a. in Niesky und in einem Sägewerk in Rothenburg herangezogen. Das Lager wurde 1942 aufgelöst, die arbeitsfähigen Menschen nach Auschwitz und Theresienstadt und die restlichen übrigen in das KZ Majdanek gebracht.

Der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik in Tormersdorf fielen hunderte Menschen zum Opfer, dann schließlich auch das physische Dorf. Im Zuge der Kampfhandlungen am Ende des Weltkrieges sprengte die Wehrmacht 1945 die Brücken über die Neiße, so auch die ins gegenüberliegende Rothenburg. Nach 1945 wurde aus Tormersdorf im Zusammenhang mit den Grenzverschiebungen 1945 bzw. der „Westverschiebung“ Polens, dessen Westgrenze nun die Oder-Neiße-Linie bildete, das polnische Toporów. Die Gebiet der zerstörten Stadt lag nun genau an der Grenze zwischen den beiden neuen Staaten Volksrepublik Polen und der Deutsche Demokratischen Republik. Während andere im Zuge der nationalsozialistischen (Selbst-)Zerstörungspolitik vernichteten Städte und Dörfer wieder aufgebaut wurde, fand hier nach 1945 kein Wiederaufbau statt, da das ehemalige Tormersdorf infrastrukturell auf das gegenüberliegende, nun zu einem anderen Staat gehörende Rothenburg angewiesen war. Heute erinnert abseits der Fundamentreste ein Gedenkstein an die polnischen Soldaten, die während den Kampfhandlungen rund um die „Eroberung der Neiße-Linie“ im April 1945 gefallen waren.